Bedarfslage
An den weiterführenden Schulen im Bezirk Spandau lassen sich vor allem in den Jahrgängen 7 und 8 zunehmend Anzeichen von Schuldistanz wahrnehmen, die in ihrer Ausprägung unterschiedlich sind und denen rechtzeitig angemessen begegnet werden sollte. Deutlich ist, dass die Bewältigung der Anforderungen im Schulalltag sowohl auf kognitiver als auch emotional-sozialer Ebene für immer mehr Schüler und Schülerinnen ein Problem darstellt. Schultage von 6-8 Zeitstunden und Klassenstärken von ca. 25 Personen überfordern diese Jugendlichen; gleichsam fällt es ihnen schwer, sich in bestehende Strukturen einzufügen und diese als notwendig und positiv zu begreifen. In der Folge versuchen sich die Schüler und Schülerinnen diesen zu entziehen, werden auf verschiedene Weise verhaltensauffällig und distanzieren sich immer stärker vom Unterricht und der Schule als Institution. Hinzu kommt, dass es in ihrem Lebensumfeld oftmals an Möglichkeiten der Reflexion mangelt. In der Konsequenz führt das Verhalten zu einer Beeinträchtigung ihrer individuellen Entwicklung, des Unterrichtsgeschehens und wird zur Belastung für die lernwilligen Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte. Bis entsprechende Hilfsangebote für die Jugendlichen zum Tragen kommen, haben sich die kontraproduktiven Verhaltensweisen bereits verfestigt oder die Jugendlichen resigniert. Gegebenenfalls in Kraft tretende Sanktionen kommen zu den nicht selten vorhandenen häuslichen Negativerfahrungen hinzu und treten an die Stelle konstruktiver Einzelfallarbeit. An diesem Punkt ist es in den meisten Fällen notwendig grundsätzliche Beziehungsarbeit zu leisten, Strategien zum Aneignen von Wissen zu fördern und weitere individuelle Förder- und Unterstützungsmaßnahmen einzuleiten, um eine kontinuierliche Teilnahme der entsprechenden Schülerinnen und Schule an der Institution Schule zu gewährleisten. Das Projekt richtet sich an Schülerinnen und Schüler der 07. und 08. Jahrgangsstufe, die durch Verhaltensauffälligkeiten und Verhaltensstörungen im Unterricht auffallen und sich vom Schulalltag distanzieren. Alle Schülerinnen und Schüler, die an dieser Maßnahme teilnehmen, haben zum Zeitpunkt der empfohlenen Teilnahme bereits entsprechende Vermerke in der Schülerakte und sind den entsprechenden Trägern der Jugendhilfe bereits bekannt. Oftmals sind sie bereits in der Primarstufe durch entsprechendes Verhalten aufgefallen.
Zielsetzung
Der Erwerb und die Festigung emotional-sozialer Kompetenzen zur Bewältigung der schulischen und – perspektivisch gesehen – beruflichen Anforderungen ist erklärte Zielsetzung der Maßnahme. Die entsprechenden Schülerinnen und Schüler erhalten die Befähigung bzw. lernen, sich in die bestehenden schulischen und gesellschaftlichen Strukturen einzufügen und somit am gesellschaftlichen Leben zu partizipieren. Des Weiteren werden ihnen Handlungs- und Verhaltensweisen für eine individuelle und sozial befriedigende Lebensführung aufgezeigt.
Bei der Förderung der emotional-sozialen Kompetenzen sind folgende Ziele explizit zu benennen:
- Verbesserung der Selbst- und Fremdwahrnehmung
- Verbesserung von Konzentration und Aufmerksamkeit
- Steigerung des Selbstwertgefühls
- Verbesserung im Umgang mit Emotionen und Impulsen
- Steigerung der Frustrationstoleranz und Erweiterung von Konfliktlösungsstrategien
- Verbesserung kommunikativer Kompetenz
Im kognitiven Bereich findet eine Vermittlung von Grundwissen aus den verschiedenen Schulfächern statt, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, die Schule weiterhin erfolgreich zu besuchen, und somit den Anschluss an die Lerninhalte des Regelunterrichtes sicherstellt. Die in den benannten Teilbereichen erreichten individuellen Fortschritte bestimmen den Zeitpunkt der Reintegration in die Bezugsgruppe und stellen sicher, dass diese ohne größere Wissensdefizite problemlos erfolgen kann.
Pädagogisches Konzept/methodische Grundlagen
Das pädagogische Konzept basiert auf dem Programm der Entwicklungstherapie/Entwicklungspädagogik (ETEP). Das Programm nimmt nicht nur einzelne Kinder und Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten und sozial-emotionalen Entwicklungsdefiziten in den Fokus, sondern eignet sich für die Arbeit mit Gruppen, in denen es um den systematischen Aufbau emotional-sozialer Fähigkeiten und kognitiver Kompetenzen geht. Ausgehend von dem Ansatz, dass jede/r Jugendliche/r bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten mitbringt (Entfaltungsansatz), wird die Entfaltung dieser Stärken und Potenziale in den Mittelpunkt gerückt. Der erste Schritt ist hierbei eine Verhaltensdiagnostik, im Zuge derer das momentane emotional-soziale Fähigkeitsprofil der entsprechenden Jugendlichen dokumentiert und Förderziele für einen bestimmten Zeitraum benannt werden. Die Dokumentation ist Grundlage für die Überprüfung und Erfassung der individuellen Entwicklungsfortschritte eines jeden Gruppenmitglieds. Die Arbeit an den benannten Förderzielen erfolgt im Unterricht der temporären Lerngruppe. Voraussetzung ist hierbei eine strukturierte Arbeitsweise und ein durchdachter Einsatz von Medien und Materialien, der einen systematischen Aufbau von Verhaltenskompetenzen in besonderer Weise fördert. Den durchführenden Pädagoginnen und Pädagogen steht hierbei eine Vielzahl von Interventionsstrategien zur Verfügung, die es möglich machen, auf die Bedürfnisse der Jugendlichen individuell einzugehen. Begleitend wird eine grundlegende Anamnese der negativen Entwicklungsfaktoren und privaten und schulischen Situation durchgeführt, die die Verhaltensauffälligkeiten begünstigt bzw. ausgelöst haben, um ein ganzheitliches Bild von Ursache, Wirkung und Entwicklung aufstellen zu können.
Das Konzept der Entwicklungstherapie/Entwicklungspädagogik (ETEP) sieht für jeden Jugendlichen eine zielgerichtete Förderung durch Formulierung individueller Lernziele auf Grundlage der entsprechenden Kompetenzen vor. Zur Anwendung kommt hierbei der Entwicklungstherapeutische/Entwicklungspädagogische Lernziel-Diagnosebogen (ELDIB). Das Förderplanverfahren lässt sich wie folgt skizzieren:
- Feststellung des sozial-emotionalen und kognitiven Entwicklungsstandes des Jugendlichen
- Einschätzung der individuellen Förderziele
- Erstellung des Förderplans, der beinhaltet:
- Festlegung sozial-emotionaler Lernziele
- Gestaltung entsprechender Lernprozesse
- Arbeit in der temporären Lerngruppe
- Zusätzliche Fördermaßnahmen
Überprüfung und Evaluation des Entwicklungsfortschrittes und ggf. Modifikation des Förderplans
Kooperationsschulen im Projekt
Ansprechpartner bei casa e.V.:
Moritz Obermaier
Till Hartmann
Tel.: 030/382 52 81